Lebenslanges Kindergeld bei spät diagnostiziertem Gendefekt?
Eltern erhalten für erwachsene Kinder zeitlich unbegrenzt Kindergeld, wenn das Kind behindert ist und es deshalb seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann. Dies soll nach Ansicht des Finanzgerichts Köln auch gelten, wenn ein Gendefekt erst nach Erreichen der Kindergeld-Altersgrenze diagnostiziert wird und das Kind davor seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte.
In dem betreffenden Fall litt die 1968 geborene Tochter an einer erblichen Muskelerkrankung, bei der es zu einer fortschreitenden Abnahme der Muskelkraft kommt. Diagnostiziert wurde dies erst im Alter von 30 Jahren. In der Folge verschlechterte sich der Gesundheitszustand. Mit 40 Jahren wurde ein Grad der Behinderung von 100 Prozent verbunden mit dem Merkzeichen G und aG festgestellt. Seit dem 43. Lebensjahr bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Den Kindergeldantrag des Vaters für die Zeit ab Januar 2010 lehnte die Familienkasse ab. Die Behinderung sei nicht vor dem Erreichen der Altersgrenze eingetreten, die für vor 1982 Geborene noch bei 27 Jahren (heute 25 Jahre) lag. Der Gendefekt habe erst wesentlich später zu einer Behinderung geführt. Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Köln Erfolg.
Die Richter stellten klar, dass die Erkrankung bereits seit der Geburt besteht. Dass sie erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres diagnostiziert worden ist, ist unerheblich. Es kommt auf den objektiven Befund an und nicht auf dessen Kenntnis. Ebenfalls belanglos ist, dass die Tochter zunächst nur leichtere Symptome der Krankheit verspürt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs muss nur die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein, nicht aber die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt.
Beachten Sie
Gegen diese Entscheidung ist bereits die Revision anhängig.
Quelle
FG Köln, Urteil vom 12.1.2017, 6 K 889/15, Rev. BFH Az. XI R 8/17, Abruf-Nr. 193078 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 4.8.2011, III R 24/09