Außergewöhnliche Belastung: Kurzes amtsärztliches Attest reicht für Abzugsfähigkeit einer nicht anerkannten Heilmethode

März 2017

Aufwendungen für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode sind auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt zum Nachweis der Erforderlichkeit der Behandlung nur eine kurze Stellungnahme des Amtsarztes und kein ausführliches Gutachten vorlegt.

Dies hat kürzlich das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden. Dort hatten Eltern ihre 2 ½-jährige und wegen Komplikationen bei der Geburt schwerbehinderte Tochter in einem Naturheilzentrum behandeln lassen. Nachdem die Krankenkasse die Erstattung der Kosten (16.800 EUR) abgelehnt hatte, machten die Eltern die Aufwendungen in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend.

Sie legten ein privatärztliches Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vor, die die Teilnahme am Förderprogramm des Naturheilzentrums ausdrücklich empfahl. Auf diesem Attest hatte der Amtsarzt vermerkt: „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt.“ Das Finanzamt lehnte den Kostenabzug jedoch ab, da die knappe Äußerung des Amtsarztes kein „Gutachten“ darstelle. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Hintergrund

Steuerpflichtige haben die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel ist dieser Nachweis durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen.

Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, sind die formalen Anforderungen (noch) höher. So bestimmt § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) z. B. bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, dass die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen ist. Dieser Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt worden sein.

Außergewöhnliche Belastungen wirken sich nur dann steuerlich aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.

Quelle

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.7.2018, 1 K 1480/16, Abruf-Nr. 206417 unter www.iww.de

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